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Freitag, 16. September 2022

[Trauer] 27.08.2022 - Der Tag, an dem ich meine Mutter verlor


Diesen Post zu schreiben, fällt mir nicht leicht. Aber ich fühle, dass ich es tun muss, zum einen, weil Trauerarbeit wichtig ist und zum anderen, weil es vielleicht anderen hilft, denen es auch so ging oder geht.


27.08.2022 - Der schlimmste Tag in meinem Leben


Eigentlich sollte es ein freudiger Tag werden. Denn es war der 11. Hochzeitstag von meinem Mann und mir. Aber es wurde der schlimmste Tag in meinem Leben. 


Meine Mama starb an diesem Tag.


Aber von Anfang an:

Im Dezember 2021 hatte meine Mama einen MRT-Termin, weil sie seit Monaten immer stärker werdende Rückenschmerzen hatte. Beim Röntgen wurde zuvor nichts gefunden, sie bekam Physiotherapie und Wärmebehandlungen verschrieben, die irgendwie alles schlimmer machten, weshalb man mit dem MRT nochmal genauer schauen wollte. Denn vor 14 Jahren ging meine Tante (ihre Schwester) mit starken Rückenschmerzen zum Arzt und bekam die Schock-Diagnose Krebs. 

Meine Mama hatte also Angst, es könne bei ihr genauso sein. 

Dann der Schock: Es wurden Metastasen im Rücken gefunden! Es wiederholte sich also die Geschichte von damals. Sie erzählte mir das direkt nach dem Termin so nebenbei und ich habe gar nicht gerafft, was sie mir da gerade erzählt. Mein Mann schaute mich fassungslos an. Ich wusste gar nicht, was ich sagen soll. Ich war komplett überfordert mit der Situation.

Der eigentliche Herd wurde nie gefunden... wie bei meiner Tante damals.

Ein Ärzte- und Therapie-Marathon in Göttingen begann im Januar und meine Mama baute trotz stetigem Optimismus langsam aber sichtbar durch die Chemos ab. Sie glaubte aber fest daran, noch viele Monate Zeit zu haben und ich bat sie immer wieder, uns recht- und frühzeitig Bescheid zu sagen, falls sie spürt, dass sie keine Kraft mehr habe, zu kämpfen. Sie beteuerte immer wieder, sie habe das Gefühl, sie habe noch locker bis Sommer 2023 Zeit. Denn sie wollte unbedingt den 70. Hochzeitstag ihrer Eltern, meiner Großeltern, im Juli 2023 miterleben und wenn es geht, auch ihren eigenen 70. Geburtstag im Oktober des gleichen Jahres. Das Ziel hatte sie immer vor Augen, egal, wie schlecht manche Tage waren. Und zur Nordsee wollte sie unbedingt noch! Ihr Optimismus schien unerschütterlich und ich klammerte mich daran, dass sie sicherlich fühlen würde, wenn sie es nicht schaffen werde. Ein großes Familiengrillfest mit allen war ihr Wunsch!

Trotz allem blieben meine Brüder und ich einigermaßen realistisch und wir machten uns keine Hoffnungen, dass sie dieses Weihnachten noch erleben werde. Wir sahen sie ja. Auch wenn ihre Haare bis zuletzt nicht ausgefallen sind, sah man ihr einfach an, dass sie nicht gesund war, immer zerbrechlicher wirkte.

Ich bin immer wieder nach Göttingen gereist, um Zeit mit ihr zu verbringen und sie im Haushalt zu unterstützen. Dann entschied sie sich Anfang Juli, zu meinem kleinen Bruder nach Niedersachen zu ziehen. In das Haus direkt neben dem Haus ihrer Eltern. Dort konnte sie viel Zeit draußen im Garten sitzen und hatte nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre verbliebenen 3 Geschwister und ihre beste Freundin aus früheren Zeiten als Krankenschwestern in der Nähe und um sich rum.

Zu meinem Geburtstag Ende Juli fuhren wir sie übers Wochenende besuchen, denn ich ahnte, dass es mein letzter Geburtstag sein würde, den ich mit ihr verbringen könne. Auch mein mittlerer Bruder fuhr 1 Woche später zu seinem Geburtstag aus demselben Grund zu ihr. Mein sonst übliches und mir wichtiges Picknick im Berliner Tiergarten? Völlig unwichtig! Ich habe meiner Mama von Anfang an versprochen: Egal, wo sie an meinem Geburtstag sein werde, ich komme zu IHR!

Als ich bei ihr war, unterhielt ich mich unter 4 Augen mit ihr und bat sie, mir ganz ehrlich und schonungslos zu sagen, wie ihr Gefühl sei, wie lange wir sie noch haben. Sie sagte: "Och, ich fühle mich eigentlich so, als würde ich bis nächsten Sommer auf jeden Fall noch schaffen!" Sie sah auch nicht so aus, als könnte es in wenigen Wochen schon vorbei sein. Sie lief noch am Krückstock, auch noch Treppen hoch und runter. Ich war nicht ganz so optimistisch, wie sie, aber wie gesagt, vertraute ich darauf, dass sie mir frühzeitig Bescheid gibt. Vorbereiten kannst du dich nie darauf, aber bei einem schleichenden Ende, so denke ich, fängt man schon vorher langsam mit dem Prozess des Abschieds an, als wenn ein Tod völlig überraschend kommt.

Mitte August bat sie mich noch, für sie eine Sterbegeldversicherung abzuschließen. Als ich lachend sagte, sie müsse dann aber noch 12 Monate durchhalten, damit die volle Versicherungssumme ausgezahlt werde, scherzte sie noch: "Schaff ich locker!" Auch das war für mich ein Zeichen, dass sie es wirklich schaffen WILL, auch wenn die Therapien nicht den gewünschten Erfolg hatten und eine Heilung nahezu ausgeschlossen schien.

Unsere Jüngste war dann auch nochmal für ein paar Tage bei meinem kleinen Bruder, um auch nochmal Zeit mit ihrer Oma zu verbringen. Meine Mama konnte zwar nicht so aktiv sein, wie sie gerne gewesen wäre und brauchte Ruhepausen, aber ich bin froh, dass Oma und Enkelin nochmal ein wenig Exklusiv-Zeit zusammen hatten.

Am 17.08. schrieb meine Mama mir dann, dass sie sich ins Krankenhaus bringen lassen werde, weil sie so geschwollene Beine habe, dass sie nicht laufen könne, Schmerzen habe und es ihr nicht so gut gehe deswegen. Ich machte mir große Sorgen, aber sie beruhigte mich. Kurz darauf meldete sie sich, dass weder Thrombosen gefunden wurden, noch haben sich die Metastasen vermehrt oder vergrößert. Aufatmen! Dennoch musste sie erstmal im Krankenhaus bleiben, weil noch die Ursache für die geschwollenen Beine gefunden und die Schmerzmittel neu eingestellt werden mussten.

Ich habe am 23.08. das letzte Mal persönlich mit ihr gesprochen. 

Bis dahin hab ich fast täglich bei ihr nachgefragt, wie es ihr geht. aber da sie uns im großen Familienchat die ganze Zeit auf dem Laufenden hielt, machte ich mir keine Sorgen. Es schien ihr soweit gut zu gehen.

Am nächsten Morgen, dem 24.08. hat sie sich in die Spezialklinik verlegen lassen, in der auch meine Tante früher war. Dort wollte sie sich durchchecken und die Therapie neu planen lassen. Allerdings wurde dort dann eine Oberschenkelfraktur festgestellt (meine Mama hatte durch die Chemo leider recht brüchige Knochen bekommen). Keiner wusste, wie das passieren konnte. Dies führte allerdings dazu, dass sie in eine "normale" Klinik in der Nähe überführt werden musste, um für eine OP aufgepäppelt zu werden. 

Das letzte Mal schrieb sie am 25.08. in den Familienchat hinein, als sie ihrer anderen Schwester, meiner noch lebenden Tante, zum Geburtstag gratulierte. Das war das letzte Mal, dass ich selbst etwas von meiner Mama hörte bzw. las.

Am 26.08., einem Freitag, hatte meine Schwägerin vormittags noch Kontakt mit ihr und meine Mama sagte ihr, es gehe ihr gut, sie habe keinerlei Schmerzen mehr.

Abends rief mein Bruder mich an... unsere Mama sei auf der Intensivstation. Ein Schock! Er wisse noch nicht genau, was los sei, aber die beste Freundin meiner Mama sei bei ihr und werde später berichten, was genau los sei und er informiere mich dann.

Ich bat ihre Freundin darum, mir selbst zu berichten, was los sei. Sie rief mich abends an und wir redeten. Meiner Mama gehe es sehr schlecht. Sie habe plötzlich kaum Luft bekommen und man brachte sie deshalb auf die Intensivstation am Mittag. Also nachdem sie meiner Schwägerin sagte, es gehe ihr gut. Aber sie war wach, ansprechbar und beruhigte ihre Freundin weiterhin mit den Worten, es sei "noch lange nicht soweit". Die Werte auf dem Bildschirm sprachen eigentlich auch dafür, was meine Mama sagte... dass es noch nicht soweit sei. Dennoch sagte sie einen Satz zu mir, der mich in Angst und Schrecken versetzte: "Wenn deine Mama die Nacht überlebt, ist sie wohl erstmal wieder über den Berg!" Ich habe kaum ein Auge zubekommen, wie ihr euch sicher denken könnt. Dennoch vertraute ich darauf, dass meine Mama schon wisse, wann es Zeit sein werde, zu gehen. Und wenn sie sagt, es sei "noch lange nicht soweit", dann wird es so sein!

Und dann klingelt um 5:50 Uhr mein Handy. Mein Bruder. 

Ich war hellwach und habe ihn vor lauter Angst, ans Handy zu gehen, weggedrückt. Völlig panisch schrieb ich ihm eine WhatsApp: "Bitte sag mir nicht, dass es das ist, was ich denke!!!" Er antwortete: "Sie lebt noch!"

Tief durchatmen... Meine Jüngste schlief in der Nacht bei mir, also ging ich zum Telefonieren in ihr Zimmer. Ich hörte meinen Herzschlag im ganzen Zimmer hallen, hatte ich das Gefühl. Ich rief ihn an und er teilte mir mit, sie sei ins künstliche Koma versetzt worden, weil sich die Lage dramatisch verschlechtert habe... und sie empfahlen uns, noch im Laufe des Tages vorbeizukommen, um uns zu verabschieden. Ich dachte noch in Gedanken an meine Mama "Bitte halte bis 1 Minute nach Mitternacht durch, bitte, bitte! Ich möchte nicht, dass unser Hochzeitstag auch dein Todestag ist! Bitte! Nur EINE EINZIGE MINUTE nach Mitternacht und dann kannst du gehen!" 

Inzwischen finde ich diesen Gedanken sehr egoistisch und schäme mich dafür... aber Rationalität war in der Situation eh nicht mehr gegeben. Ich stand unter Schock.

Weinend weckte ich meinen Mann, der gar nicht wusste, wo oben und unten ist, und erklärte ihm, was los ist. Danach ging ich zu meiner großen Tochter, denn wir mussten uns ja fertig machen, um ins Auto zu steigen und 3,5 Stunden nach Niedersachsen zu fahren. 

Als ich meine Tochter weckte, tröstete sie erst mich... bis meine Worte bei ihr "angekommen" waren und ich dann SIE trösten musste. Wir weinten zusammen, während ich mit meinem großen Bruder telefonierte und verzweifelt versuchte, meinen mittleren Bruder zu erreichen. Denn er lebt ebenfalls in Berlin und ich wollte ihm die Möglichkeit geben, mit uns zusammen rüber zu fahren. Er ging aber nicht ran, las seine Nachrichten nicht. 

Ziemlich genau 1 Stunde nach dem ersten Anruf, rief mein kleiner Bruder nochmal an...

...Sie haben alles getan... Aber sie habe es nicht geschafft. Sie wurde nur 68 Jahre alt.

Ihre letzten Worte sollen gewesen sein, dass sie uns über alles liebe. Ob das wirklich ihre letzten Worte waren, werden wir wohl nie erfahren, aber die Ärztin, die meinen Bruder anrief, behauptete es und ich möchte es gerne glauben.

Ich bin mir sofort sicher gewesen, dass meine Mama verhindern wollte, dass wir an ihrem Bett sitzen, während sie starb und deshalb so schnell aufgab. Denn sie hatte vorher zu ihrer Freundin gesagt, sie könne nicht loslassen, solange jemand von uns bei ihr wäre, was der Grund war, warum sie von Anfang an sagte, wenn es mal soweit sei, wolle sie in ein Hospiz. Ich bin mir sicher, als sie merkte, sie schaffe es nicht, war ihr letzter Akt der Liebe, zu gehen, bevor jemand von uns bei ihr eintreffen konnte.

Ich konnte mich nicht verabschieden. Und das ist das, was mich nach wie vor fertig macht. Ich habe das letzte Mal 4 Tage vor ihrem Tod persönlich mit ihr gesprochen. VIER TAGE! Und es ging nur um belangloses Zeug.

Ich bin mir sicher, hätte meine Mama gespürt, dass sie dem Ende nah ist, hätte sie mich und auch meine Brüder nochmal angerufen, wie meine Tante es damals machte. Und das tut mir weh! Sie war nicht vorbereitet! Wir waren nicht vorbereitet! So sehr wir auch erwartet haben, dass sie noch dieses Jahr von uns geht, so überraschend und plötzlich war ihr Tod am Ende dann doch und hat uns allen den Boden unter den Füßen weggezogen.

Wir wollten natürlich dennoch losfahren, um uns gegenseitig aufzufangen und zusammen zu trauern. Also haben wir gepackt und sind los, Richtung Kutenholz, während mein kleiner Bruder sich auf den Weg machte, sich im Namen von uns allen von unserer Mama zu verabschieden. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin.

Am Abend vor ihrem Tod, als wir dachten, es sei alles in Ordnung, ging ich mit meiner großen Tochter einkaufen. Kurz vor unserer Haustür sagte sie auf einmal: "Schau mal, das sieht ja auch wie das Auto von Marita!" Marita war meine Tante und ich war verblüfft, dass meine Tochter sich noch an das grüne, kleine Auto erinnern konnte, denn sie war keine 8 Jahre alt, als meine Tante starb. Aber sie hatte Recht! Das sah wirklich aus, wie das Auto von Marita!

Nachdem ich dann vom Tod meiner Mama erfuhr, kam mir der Gedanke: Vielleicht war das kleine, grüne Auto "von Marita" ein Zeichen, dass sie sich auf den Weg machte, um ihre Schwester abzuholen...


Vom Rest des Tages und wann ich endlich meinen mittleren Bruder erreicht habe, nachdem ich ALLE ANDEREN Familienmitgliedern Bescheid gesagt habe, erzähle ich im nächsten Teil. Vielen Dank an alle, die sich die Zeit genommen haben, diesen Post bis zum Ende zu lesen!

3 Kommentare:

  1. Hallo meine liebe Sarit. Das hast Du sehr schön geschrieben . In Worte fassen kann man es schwer. Aber Dir ist es gelungen die richtigen Worte zu finden. Mama wäre sehr stolz auf Dich. 🤗😘

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  2. Das war ganz bestimmt "das Auto" deiner Tante! Sie ist gekommen, um ihre Schwester mitzunehmen, so kurven sie zusammen in den Himmel. Das hört man immer wieder und sehr oft. Sie wurde gut aufgenommen.

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